Hugo Hirschberg-Lappner
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kochen für Europa“, die in der Engelsburg in Erfurt durchgeführt wurde, wollte natürlich auch die „kleinkunstbrigade“ dem Publikum etwas auftischen.
Im Stück „Babsi oder die Ideen sind frankiert“ wurde mehrfach der Autor Hugo Hirschberg-Lappner (1750-?) zitiert. Immer wieder wurden wir daraufhin seitens des Publikums über den Autor befragt. Zweifellos ist Hirschberg-Lappner ein eher unbekannter Schriftsteller und gleichermaßen wissen nur wenige etwas über die kulinarischen Hinterlassenschaften des Thüringers.
Dies galt es zu ändern.
Nach ausführlicher Recherche legte Sid Eisengurrer das Manuskript „Hängend in den Wipfeln dünkt mich das Vergessen. Leben und Werk Hugo Hirschberg-Lappners“ vor, das am 22. Dezember 1999 in der Engelsburg in Erfurt einem interessierten Publikum vorgestellt wurde.
Während Sid Eisengurrer über das Leben Hirschberg-Lappners sprach, rezitierte J.A.N. Harmonie Gedichte des Meisters. Dabei wurde er von Dani Mentzel auf der Querflöte begleitet. Zudem hatte Andreas Jäckel ein kleine Bilderausstellung über den Meister vorbereitet.
Abgerundet wurde der Abend mit gebrutzelten und hochprozentigen Kartoffelleckereien, schließlich hat Hirschberg-Lappner nicht unwesentlich zur Verbreitung der Kartoffel in Thüringen beigetragen und schließlich thematisierte die Veranstaltungsreihe das Kochen. An den Kochtöpfen wirkten Michael Rabisch und Thomas Putz.
Hier finden Sie ausgewählte Texte Hugo Hirschberg-Lappners:
Gottes Werk ist unerreicht
Wir lagen still im Ufersand,
Bedeckt allein mit Sonnenschein.
Sie hielt meinen Liebespfand,
Ich nahm sie in Augenschein,
Und wir lauscht’n,
Wie die Wellen rauscht’n.
So üppig lag ihr Wonnepaar
Zwischen ihren Armen.
Sie waren unverwechselbar,
Dank himmlichen Erbarmen.
Der Herr höchstselbst hatte sie geehrt,
Auf eine Art, bewundernswert.
Ein Muttermal, ein Götterkuß
Krönte sie zur Rechten.
Wie die andre leiden muß
An der ungerechten
Erhöhung ihrer Nebenbuhlerin,
Kam‘s mir in den Sinn.
O wie litt mein gütig’ Herz
Am göttlichen Gelüste.
Deshalb bat ich himmelwärts
Für ein Gleichgewicht der Brüste.
Da nichts geschah, ich bin ja Ehrenmann,
Bot ich ihr meinen Beistand an.
Ich küßte sie, die unbeachtet,
Der Herrgott einst links liegen ließ.
Einen Moment war ich umnachtet,
Einen Moment im Paradies;
Und dann besah ich meine That,
Doch es fehlte an Format.
Schöne Maid, sprach ich sie an.
Das Werk des Herrn scheint unerreicht,
Doch ich versuch‘s, so lang ich kann,
Am Anfang schien‘s mir kinderleicht,
Doch mein Mundwerk ist zu klein
Und zu farblos obendrein.
Noch ein paar mal beugte ich mich,
Küssend, über die gekränkte Brust,
Doch jedesmal enttäuschte ich
Und so wurde mir bewußt:
Auch in diesen Dingen
Ist unser Herr nicht zu bezwingen.
Abschied oder eine Träne
So ich hier am Grabe steh’,
Figurant im Trauerspiel,
Verstohlen um dein Wohle fleh’,
Denn ich nahm nicht all zu viel.
Von deinem demutsvollen Sein,
Von deinem zarten Drang,
Trank ich nur den süßen Wein,
Scheu’ nun selbst den Grabgesang.
Und auch die eine Träne,
Die letzte, die mir blieb,
Halt’ ich, weil ich sehne.
So das war ’s. Vergib’!
Geleit (1772)
Überall ist Abschied nehmen
Und dies währet lebenslang;
Niemand kläret diesen Gang,
Dies willfährig Unternehmen.
Jeder muß sich einst bequemen,
Klingt auch fern der Sensenklang,
Zwingt es dich doch mittenmang;
Bedeutungslos dein Einvernehmen.
Fröntest du dem Müßiggang
Wußtest du dich zu bezähmen;
Mußt es dir nicht übelnehmen,
Kein Aas hört seynen Grabgesang.
Fall: Obst oder
Gesell Götztl in Freundschaft (1770)
Dereinst zur Knabenszeit
Im Übermut ‘n Augenblick
Prüften wir im frohen Streit
Vertrauen und Geschick
Mit Schleuder und Stein,
Ein forderndes Spiel,
Auf unsrn Häuptern je ein
Appel als Ziel.
Und ich holte aus
Mit bebender Hand,
Der Stein flog g’radeaus:
Brilliant, brilliant!
Und er holte aus
Mit bebender Hand,
Der Stein flog g’radeaus:
Brisant, brisant!
Der Appel fiel auch
Nicht weit vom Stamm,
So grub sich mein Bauch
In den irdischen Schlamm.
Was für ein Gewinn?
Denk ich so zurück.
Halte die Birne hin,
So trifft dich das Glück.
Hängend in den Wipfeln dünkt mich das Vergessen (1790)
War im Rausche mancher Nacht
Meyn Geist voll nebulöser Pracht,
Mein Blut im Trunke aufgelöst
Und ich bey Tische eingedöst
So drängend nach den Gipfeln
Bin ich Begier, bin ich besessen;
Dann hängend in den Wipfeln
Dünkt mich das Vergessen.
Ich ward im Wahn der Leidenschaft
Mal liebeskrank, mal lasterhaft,
Hab’ mannigfaltig Fleisch entblößt
War dennoch einsam eingedöst.
So drängend nach den Gipfeln
Bin ich Begier, bin ich besessen;
Dann hängend in den Wipfeln
Dünkt mich das Vergessen.
Ich fand im Höchsten meinen Sinn,
Stürmte, drängte so dahin,
Doch blieb das Rätsel ungelöst,
Denn meyn Genie war eingedöst.
So drängend nach den Gipfeln
Bin ich Begier, bin ich besessen;
Dann hängend in den Wipfeln
Dünkt mich das Vergessen.
Ode an den Kerkermeister (1770)
Es war ein langer, langer, langer Winter.
Wie lang’ hab’ ich kein Weib geseh’n?
Leb’ wohl, Du übler Menschenschinder,
Für mich ist‘s an der Zeit, zu geh’n.
Ich denke an die guten, guten, guten Tage,
Im guten Glauben und als freyer Mann,
Die ich von heute an einschlage,
Und daß ich Euch vergeben kann.
Seyd Ihr doch der ärmste, ärmste, ärmste Tor.
Kein ärmres Leben hab’ ich je geseh’n.
Als Kerkermeister steht Ihr außen vor
Und könnt nicht in Freyheit geh’n.
Ich hoff’ Ihr lebt noch viele, viele, viele Jahre,
So viel’, daß es Euch selber schreckt
Und legen sie Euch auf die Bahre,
Bin ich frey und Ihr seyd hier verreckt.
Dem treuherzigen Mann und dem freigiebigen Weib zur Erklärung gereicht von Hugo Hirschberg-Lappner am 12. August 1783.
Mir behagt es nicht, dem geneigten Leser mit meiner Person in überhöhter Art zu konfrontieren. Auch schicke ich mich an, hohe Rede zu vermeiden. So ich keinen Gefallen daran finde, einen freyen Erdengast zu belehren.
Seit langen Jahren und allerorten ist das Gewächs, deren ich mich in diesem Schreiben zu erklären befleißige, bekannt unter den Namen Kartoffel, wie auch Erdbirne, Erdkastanie, Krummbirne, Knulle, Äper oder Erdapfel. Ich selbst brachte aus dem Vogtlande nicht wenige Knollen ins Weimarische, wo sie seither Verbreitung finden. Doch blicke ich mich unter den Landleuten und Bürger um, begegnet mir viel Argwöhnen und Abweisung. Da zeigen sich gar mancherorts noch Pfarrer auf der Kanzel und schelten die Kartoffel eine Teufelswurzel, weil keine Bibelstelle sie aufweist. Auch ränken sich wirre Ammenmärchen um sie. Nicht wenige Landmänner geben ihren schwangeren Weibern keine Kartoffeln zur Speis’, so die Kinder im Mutterschoß keinen dicken Kopf bekommen und schwere Geburt erleiden. Ja gemeinhin rollen die Kleingläubigen die Frucht von ihren Tellern in die Tröge der Schweine, daß diese prachtvollen Speck ansetzen.
Ungezählt ist meine Frage, woher diese Versagung kommt. Seit Jahren esse ich die Kartoffel in mannigfaltiger Weise, beköstige meine Gäste damit; und nimmer war mir oder den Freunden der Bauch verdorben oder ein Kropf gewachsen. Wenn schon ihr Geschmack der Gewöhnung bedurfte, ist die Kartoffel mir nun teuer.
Freylich sollte es nicht ohne Erwähnung seyn, daß der Feldbau der Frucht mit reichlich Mühen einhergeht. Im Frühjahre bricht man mit der Hand oder einem Holz den Boden auf und steckt ins Loche eine Kartoffel, häuft Erde obenauf und drückt mit dem Fuße das Ganze. So geht man Loch für Loch und Reihe für Reihe über den Acker. Im Herbst ehe der Frost in die Erde gehet, zerret man mit der Handhacke Busch um Busch aus und sammelte die Knolle ab. Auch wenn der Rücken die Plackerei mit manch Ziepen lohnt, im Winter wird ‘s einen gedankt. Sind sie doch in einem dunklem, trockenem Keller auf Lattenrosten einfach zu horten. Dazu sey gesagt, daß die Erdknolle kein sonderlichen Anspruch an den Boden stellt. Sie wächst ringsum, ob auf dem Hange oder zu Tale. Da hier im Weimarischen die Erde nur mäßig fruchtbar ist, wäre die Knolle wohl das näheste, den Hunger zu mindern.
Um den geneigte Leser den Appetit an der Kartoffel angenehm zu machen, möchte ich hier noch eine Kochanleitung feilbieten. So die Kartoffel gekocht oder gepruzelt zu allen Kraut und Gemüse, wie auch Fleisch vortrefflich mundet, läßt sie sich auch eigens zubereiten. Es war im letzten Winter als mir die Idee gekommen. Die Kartoffeln waren im Februar nicht mehr im besten Zustand, manches war faul und modrig geworden. So schnitt ich die guten Stücke heraus, um eine Hälfte zu kochen und mit etwas Milch und Salz zu einen Brey zu stampfen. Die andere Hälfte häckselte ich klein. In einen Leinensack getan, drückte ich alles Wasser aus den Kartoffelhäckseln. Sodann ich im großen Topfe das Wasser zum kochen brachte, vermengte ich das eine mit dem anderen und kugelte faustgroße Klöße daraus, welche ich dem brodelnden Wasser beigab. Zuvörderst gehen sie darinnen unter, kommen doch nach einer Weile an die Oberfläche, was heißt, sie sind tischfertig. Mit Fleisch und Brühe und Gemüsen schmeckt dies vorzüglich, wie auch mit mehrerlei Kräutern. Tags darauf lassen sie sich noch in Scheiben geschnitten, nicht unschmackhaft rösten.
Doch die Kartoffel läßt sich noch zu vielerlei andren Dingen gebrauchen. Jüngst hörte ich von einem findigen Bauernburschen, daß er die Knolle mit einem Destillierapparat zu einem gutem Trunke veredelte, welches allen im Flecken Frohlocken bescherte, selbst denen, die sich bis dahin der Frucht verweigerten. Das sey nun Erklärung genug: Die Kartoffel ist rund.
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