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16.6.2006, Erfurt, Café DuckDich


„Erfurt? Einfach Geil!“

 
 

Über ein Jahr arbeiten Mitglieder und Freunde der „kleinkunstbrigade am Projekt „Erfurt? Einfach geil!“. Die Ergebnisse bewiesen, dass es die Mitwirkenden ernst damit meinten. Die verbindende Aussage bezog sich jedoch genauso wenig auf ein Trautes-Heim-Lobgedudel wie auf stoische Miesemacherei. Konstruktive Kritik war angesagt. Michaela Jakob verwies in ihrer Rede zu Beginn der Veranstaltung zurecht darauf, dass die Domfestspielhochglanzkultur nicht nur das künstlerische Selbstbestimmungsrecht vieler Erfurter beschneidet, sondern auch die Konkurrenzfähigkeit Erfurts als Wirtschaftsstandort untergräbt.

Die Veranstaltung im Café DuckDich der Engelsburg war zunächst als abschließender Höhepunkt geplant. Die Liste der mitwirkenden Künstler und Kunstinteressierten zeigte, dass sich die "kleinkunstbrigade" mit diesem Projekt fern jeglicher Vereinsmeierei bewegte. Offenheit war Methode und Prinzip. Eine andere Herangehensweise an dieses Thema wäre letztendlich ein Widerspruch in sich.

Natürlich hatte auch das Projekt „Erfurt? Einfach geil!“ seine Startprobleme, sein zwischenzeitliche Motivationsstaus, seine Missverständnisse usw. Was soll`s! Das Interesse, dass das Projekt an diesem Tag erfuhr, ließ uns unsere ursprüngliche Planung verwerfen. Erfurt ist eben geil.


Collage „Erfurt? Einfach Geil!“ Katja Hebenstreit, Simone Perec, Ulrike Aschenbach, Britt Hedrich, Pia Hedrich, Denise Bormann, Nico Bormann, Michaela Jakob, Stephan Bohn, Sven Wachsmuth, Dirk Wachsmuth, Axel Bechstein, Andreas Jäckel, Andreas Kubiza, Sid Eisengurrer

Die einzelnen Bilder der Collage können durch anklicken weiter vergrößert werden.

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Wir machen weiter und basta! Und wer mitmachen will, ist herzlich eingeladen. Meldet Euch!

Das Projekt „Erfurt? Einfach geil!“ wurde vom Kulturamt der Stadt Erfurt gefördert.

Laudatio:
Michaela Jakob

Ausstellung:
Noor Aldeen Hama, Horst Wagner, Katharina Häfner, Andreas Jäckel, Sven Hoffmann, Gunter Harms, Jürgen Grysczok, Thomas Nicolai, Ines Pfefferkorn, Axel Bechstein, Uwe Höfig, Ina Hermann, Tobias Schönemann

Lesung:
Lothar Peppel, Sid Eisengurrer

Diaprojektion „Altes Erfurt“:
Gunter Harms

Film „Meine Musik! Ich nicht!“:
Michael Schaufert, Bodo Sperr

Zeitgenössische Musik:
Susanne V. Thiele (Chello), Britt Hedrich
(klassische Gitarre)




Laudatio von Michaela Jakob

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde!

Das Kulturamt der Stadt Erfurt hat im vorherigen Jahr mit „Die Sehnsucht nach dem Paradies“ ein Thema herausgegeben, dass die Mitglieder der „kleinkunstbrigade Anna Kram e. V.“ sofort gefangen nahm. Schon längere Zeit dachten wir über ein Projekt nach, dass unseren Bezug zu unserer Heimatstadt Erfurt in den Mittelpunkt stellt.

Erfurt ist unsere Metropole. Erfurt ist unser Dorf. Wir sind bekennende Erfurter!

Schon lange nervt es uns, dass Heimatverbundenheit zumeist mit Musikantenstadtl oder tumper Deutschtümmelei gleichsetzt wird oder dass Leuten, die sich offen zu ihrer Stadt bekennen, zu einfältigen Lokalpatrioten abqualifiziert werden.

Das es woanders schöner, weltstädtischer, uriger oder was weiß ich ist, ist genauso stumpfsinnig wie die Mär von der guten, alten Zeit. Bestimmt kennt jeder so einen Platz auf der Welt und viele haben auch woanders eine neue Heimat gefunden, aber hier sind unsere Wurzeln, hier sind wir aufgewachsen, hier leben unsere Angehörige und Freunde, und wenn wir uns am wohlsten fühlen, sprechen wir erfurtsch.

Und klar ist, Erfurt ist eine der schönsten Städte Deutschlands, Europas, der Welt. An jeder Ecke stolpert man hier über kulturelle und weltgeschichtliche Denkmäler und wem das nicht reicht in fünf Minuten ist man in einer gemütlichen Kneipe, in fünfzehn Minuten ist man im Wald und wenn der Fußballgott will im nächsten Jahr in der zweiten Liga.

Ja, aber Erfurt hat auch seine Schanden: Topf und Söhne, der Stasiknast, die Hinrichtungsstätte der Wehrmachtsdeserteure auf dem Petersberg, um nur einige zu nennen. Und es ist ein Zeichen von Verantwortung, wenn diese Plätze in Zukunft nicht weiterhin tot geschwiegen werden und das auch aus Respekt vor den Opfern.

Aber auch in der Gegenwart liegt vieles im Argen. Erfurt ist beständig pleite. Dazu kommen Schulden, Verbindlichkeiten, Bürgschaften und Zinsen und Zinseszinsen und und und, jede Menge Hände halt, die in unser Stadtsäckel greifen. Klar, dass es nicht für alle reicht, die Bedarf anmelden, aber unklar ist es, warum Kultur und Soziales jedes mal die ersten sind, die mit dem Rotstift eine übergezogen bekommen.

Zugleich sprechen mehr und mehr Volksvertreter den Bürgern das Demokratieverständnis ab. Auch bei der diesjährigen Erfurter Oberbürgermeisterwahl war wieder derartiges und zwar aus allen politischen Lagern zu hören, als wäre das Kreuzchenmachen am Wahlsonntag das hervorstechende Zeugnis demokratischen Bewusstseins. Aber Verweigerung ist legitim, insbesondere im politischen Kontext. Das würde doch ansonsten heißen, dass siebzig Prozent der Erfurterinnen und Erfurter - soviel hatten sich nämlich an diesem Sonntag verweigert, das Zünglein an irgend einer Waage zu sein - missmutig und gleichgültig durchs Leben lahmen und selbst Diktatoren schulterzuckend hinnehmen würden.

Wer so argumentiert, stellt die falschen Fragen. Ob aus Unwissenheit oder Hochmut ist im Grunde unwesentlich, weil das soziale und kulturelle Engagement vieler Erfurterinnen und Erfurter, das zweifellos Ausdruck demokratischer Verständnisses ist, unberührt bleibt.

Die meisten Erfurterinnen und Erfurter sind weder missmutig noch gleichgültig. Viele, sehr viele engagieren sich in privaten Initiativen, in ihren Nachbarschaften, in ihren Freundeskreisen oder in Vereinen. Auch die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die immer wieder als desinteressiert und bequem über einen Kamm geschert werden, halten sich dabei nicht zurück. Vielen Projekten und Vereinen würde ohne sie mächtig, wenn nicht sogar vollends, die Luft ausgehen.

Ehrenamtliches soziales und kulturelles Engagement ist für viele Erfurterinnen und Erfurter Bedürfnis und Orientierung, und das zweifelsfrei auch deshalb, weil dabei das Miteinander im Vordergrund steht. Es ist nicht der flotte Euro, der die Ehrenamtlichen lockt, viel mehr ist es das Gefühl, gebraucht zu werden und etwas Sinnvolles zu tun. Das impliziert jedoch, dass das ehrenamtlich Geschaffene Anerkennung findet. Auf der zwischenmenschlichen Ebene geht das Schulterklopfen auch gut von der Hand. Seitens der politischen Instanzen beteuert man gleichwohl den gesellschaftlichen Nutzen, ohne dabei jedoch den Rotstift aus der Hand zu legen.

Ehrenamt kostet Geld und zwar mehr, als die Vereine und Initiativen oftmals aufbringen können. Viele Vereine können sich nur Dank von Sponsoren über Wasser halten. Aber nicht jeder hat die besten Beziehungen und nicht alles erscheint werbewirksam. Was bleibt sind die öffentlichen Mittel.

Wer eine weitere Kürzung der öffentlichen Mittel für Kultur und Soziales anregt bzw. dieser zustimmt, ist nicht nur kurzsichtig sondern blind. Das wird nicht gut gehen! Und das auch, weil in Erfurt - anderswo natürlich auch - Kultur nicht gleich Kultur ist. Es ist nur schwer nachzuvollziehen, warum es zum Beispiel im Kaisersaal walzert und schwoft, während den Jugendclubs in Erfurts Norden und Südosten das Licht ausgeblasen wird. Ja, und warum müssen Musik-, Mal- und Volkshochschulen sowie Sportvereine mehr und mehr darben, wenn es fürs Jesus-Christ-Superstar-Domstufen-Spektakel alle mal reicht. Ja, und warum werden bei Ausschreibungen, Arrangements o. ä. Erfurter Künstlerinnen und Künstler so wenig bedacht, ob nun bei der Herbstlese, im Theater oder beim Krämerbrückenhalligalli oder oder oder.

Sicher sind Anspruch und Niveau entscheidende Kriterien und gleichwohl leben Kunst und Kultur vom überregionalen und internationalen Austausch, aber das rechtfertigt nicht die Benachteiligung bzw. Vernachlässigung der künstlerischen und kulturellen Bedürfnisse der eigenen Bürgerinnen und Bürger, insbesondere derer, die sich nicht mit einer Konsumenten- oder Statistenrolle zufrieden geben wollen.

In diesem Kontext werden dann meist zwei Argumente auf den Tisch gehauen. Zum einen verweist man darauf, dass künstlerische und kulturelle Bedürfnisse Privatsache sind. Zum anderen heißt es, dass man mittels der sogenannten Hochkultur den internationalen Ruf Erfurts kulturell aufwerten will, um so gewissen Investoren die Stadt schmackhaft zu machen. An dieser Stelle kommt noch Taubheit dazu. Investoren lassen sich, weiß Gott nicht nur durch einige Kulturspektakel anlocken. Neben Infrastruktur und Subventionen interessieren die sich doch am Meisten für die Leute, die für sie Schotter machen können.Und die leben doch nicht in unserer Stadt, weil sie hier weniger verdienen oder irgend wann einmal eine Aussicht auf einen Job haben. Das einzige was sie hält, sind sozialen Beziehungen und die Liebe zur Stadt. Und Vereine und Initiativen erhalten und stärken die sozialen Beziehungen und weitere Mittelkürzungen bedeuten mittlerweile das Aus für viele ehrenamtliche Projekte.

Kein Schulterklopfen, kein gemeinsames Schaffen und eine Stadt, die zeigt, was sie von der Sache hält, zumindest scheint es ihr nicht viel wert. Das macht Frust. Langeweile macht ein Übriges. Und jeder der kann, wird das Weite suchen. Wenig Geld ertragen viele, wenn das Umfeld stimmt. Eine sozio-kulturelle Öde wird dagegen viele vertreiben. Alte Leute und Männer aus bildungsfernen Niveaus werden dann wohl das Stadtbild prägen. Da braucht es keine empirischen Untersuchungen. Beispiele gibt es genug, nicht nur im Osten. Ob das Investoren lockt?

Wenn man zuviel vom Paradies im Sinne von etwas Unbefleckten zwischen einsamer Insel und Schlaraffenland träumt, wenn man Sehnsucht allein auf verzehrendes Warten reduziert, wird „Die Sehnsucht nach dem Paradies“ zu romantischen Kitsch. Vielleicht etwas zum Träumen, aber nichts was uns weiterbringt.

Die „kleinkunstbrigade ANNA KRAM e. V“ interpretiert „Die Sehnsucht nach dem Paradies“ auf eine realistische Weise. Die Sehnsucht motiviert dabei zu aktiven Handeln und das Paradies ist der Mittelpunkt unserer Welt: Erfurt.

Mit dem Projekt „Erfurt? Einfach geil!“ haben wir diesen Gedanken umgesetzt. Es ging uns nicht um Gleichmacherei, jeder der Mitwirkenden sollte sein Erfurtbild künstlerisch einbringen können. Bekenntnisse waren dabei genauso gefragt wie die spielerische oder kritische Auseinandersetzung mit dem Thema.

Im Rahmen des Projektes „Erfurt? Einfach geil!“ organisierten wir im vergangenem Jahr Workshops für Kreatives Schreiben, Fotografie und Malerei. Bei verschiedenen Veranstaltungen im November und Dezember 2005, so u. a. im Café Zwiesel wurden bereits einige der Arbeiten vorgestellt. Darüber hinaus wurde ein Kalender mit Ergebnissen der Workshops zusammengestellt.

In diesem Jahr konnten wir zudem viele Erfurter Künstlerinnen und Künstler gewinnen, die das Projekt unterstützen.

Auf Grund der Nachfrage haben wir noch einmal die interessantesten Arbeiten der Workshops zusammengestellt. Zugleich präsentieren wir eine Gemeinschaftsausstellung, der uns unterstützenden Künstlerinnen und Künstler.

Erfurt ist unser Paradies! Auch das ist ein Ergebnis unseres Projektes. Wenn ich von gegenseitigem Respekt und von einer bestärkenden Atmosphäre spreche, ist dies kein Schmus. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Workshops und die beteiligten Künstler haben trotz ihrer Unterschiedlichkeit bewiesen, dass sie etwas zusammen erreichen, für sich und für Erfurt. Bei diesem Engagement muss ein nicht Bange sein um diese Stadt.

Danke.

 


 
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